Einleitung und Zielsetzung des DSS-TORBOS
Die herkömmliche Moorbewirtschaftung (Forstwirtschaft, Landwirtschaft oder Torfentnahme) steht in einem zunehmend kritischen Fokus der Abwägung zwischen negativen Folgen für Boden-, Klima-, Biodiversitäts- und Landschaftsschutz, was vor allem auf die Absenkung der Grundwasserstände und die damit ausgelösten Degradierungsprozesse zurückzuführen ist. Im Gutachten des SRU (2012) wird darauf Bezug genommen und eine konsequente torf- und moorschonende Bewirtschaftung eingefordert. Dies steht auch im Einklang mit den Zielen des Ökologischen Landbaus, der sich als eine ressourcenschonende und umweltverträgliche Wirtschaftsform versteht, die sich am Prinzip der Nachhaltigkeit orientiert (Vogt 2000). Dazu gehören neben der Anpassung der traditionellen, auf Entwässerung basierten Nutzung, auch alternative Landnutzungsformen, die Paludikulturen.
Die dem Standort angepasste Moorbewirtschaftung erfordert sehr gute Kenntnisse, insbesondere über den veränderten Standort und die Regulierung des Wasserhaushaltes, aber auch über die Anpassung bzw. Erweiterung der für die Bewirtschaftung benötigten Infrastruktur. Beratungsangebote zur torf- und moorschonenden Bewirtschaftung, die den Standort mit einbeziehen, sind derzeit nicht verfügbar (Luthardt et al., 2014). Dieses notwendige Wissen kann in Broschüren oder auch als Fließtext im Internet dargestellt werden; gute Erfahrung gibt es aber auch mit Entscheidungsunterstützungssystemen (DSS).
Daher war es das Ziel von zwei durch das BMBF geförderten Forschungsprojekten ein DSS zu entwickeln, indem standortspezifische Bewirtschaftungsempfehlungen abgeleitet und umfassende Informationen zur Umstellung auf alternative Landnutzungsformen den Landwirten, Landwirtschaftsberatern und Entscheidungsträger, als Anwender, zur Verfügung gestellt werden.
Dabei werden sowohl Empfehlungen für die nasse und damit torferhaltende Landbewirtschaftung (BMBF-Projekt: VIP "Vorpommern Initiative für Paludikultur“) als auch für die torfschonenden Bewirtschaftungsformen in der Spannweite zwischen mäßig feuchten und sehr feuchten Standorten (BMBF-Projekt: ELaN "Entwicklung eines integrierten Landmanagements durch nachhaltige Wasser- und Stoffnutzung in Nordostdeutschland") gegeben. Im Rahmen des Verbundprojekts KLIBB (Klimaschonende, biodiversitätsfördernde Bewirtschaftung von Niedermoorböden) wurde das DSS-TORBOS im Jahr 2020 auf den neuesten Stand des Wissens gebracht. Der dem DSS zugrunde liegende Steckbriefkatalog wurde wesentlich aktualisiert und durch weitere Bewirtschaftungsverfahren ergänzt
Methoden
Das Wissen wurde mittels Literaturrecherche, Expertenbefragungen und Testläufen generiert. In einem iterativen Prozess wurden die Zwischenergebnisse mit den künftigen Nutzern diskutiert und Veränderungen eingearbeitet. Mittels Programmierung in der Programmiersprache Java wurde das Gerüst in eine selbsterklärende und frei zu bedienende Nutzerplattform umgesetzt.
Im entwickelten DSS wurde die Methodik von einfach zu erfassenden und deskriptiven Parametern im Gegensatz zu messtechnisch aufwendigen und normativen Parametern verwendet, um eine hinreichend realistische Abschätzung der potentiellen Bewirtschaftungsformen zu ermöglichen. Die Reduzierung auf einen einzigen Sachverhalt pro Frage führt zu schnelleren und besseren Entscheidungen durch den Nutzer. Strukturell ist das DSS in dichotomen Entscheidungsbäumen (Ja/Nein-Fragen) aufgebaut. Diese Methode kam bereits im DSS-WAMOS, Carbstor u. a. Entscheidungssystemen erfolgreich zum Einsatz (Hasch et al. 2010, Möller et al. 2014).
Ergebnisse
Im Eingang des DSS wird der Nutzer über alle relevanten Standorteigenschaften seiner Flächen befragt. Die modulare Grundstruktur des DSS ist in der Abb. 1 dargestellt. Nach dem Durchlauf des Abfrageteils erhält der Nutzer einem druckbaren Ergebnisbericht als PDF-Datei, indem konkrete Empfehlungen passend zu seinen Standortangaben gegeben werden. Diese umfassen alle für ihn möglichen Bewirtschaftungsoptionen seiner Fläche. Zudem erhält er Empfehlungen für Maßnahmen, die für die Umstellung auf das neue angestrebte Nutzungsziel umgesetzt werden sollten. Das DSS-TORBOS (TORferhaltende Bewirtschaftung OrganiScher Böden) ist über eine Webseite erreichbar, in die das Entscheidungsunterstützungssystem integriert ist.
Abb. 1: Das DSS-TORBOS ist modular aufgebaut. Der Nutzer durchläuft das System linear (durchgängiger Pfeil). Die eingegebenen Daten werden fortlaufend gespeichert und in der Entscheidungsmatrix sowie im Modul Wassermanagement zusammengeführt.
Das entwickelte DSS wurde als Beratungsinstrument und Planungshilfe zur Umstellung einer konkreten Landwirtschaftlich genutzten Fläche auf alternative Moorbewirtschaftungsformen, in der gesamten Spannweite von mäßig feuchten bis nassen Standorten, entwickelt. Innerhalb dieser Spannweite sind die torferhaltenden (nassen) Bewirtschaftungsformen gleichermaßen enthalten.
Mittels Steckbriefen wird der Nutzer des DSS über die Arten von Paludikulturen (Sumpfkulturen) sowie angepasste Bewirtschaftungsformen für nicht voll vernässbare Standorte umfassend informiert, die auf der Fläche gezielt etabliert werden könnten. Für eine torferhaltende Bewirtschaftung von Mooren sind dies die Nutzung von Schilf (Phragmites australis), Rohrkolben (Typha spec.) und unspezifischer Niedermoorbiomasse für energetische oder stoffliche Verwendungen und Erle (Alnus glutinosa) für die Nutzung als Wertholz sowie die Weidehaltung von Wasserbüffeln (Bubalus bubalis) (Wichtmann et al., 2015 im Druck). Für eine torfschonende Bewirtschaftung von Niedermooren mit niedrigeren Wasserständen sind dies extensiv genutzte Feuchtwiesen in verschiedenen Vegetationsausprägungen für die energetische und stoffliche Nutzung oder Feuchtweiden, Frischwiesen und -weiden, sowie Erle (Alnus glutinosa) und Weide (Salix spec.) für die energetische Nutzung im Kurzumtrieb (KUP).
Die Steckbriefe sind als Informationstool direkt in das DSS eingebunden. Mit ihnen kann sich der Nutzer schnell über die wesentlichen Fakten und Fragestellungen zur Etablierung der jeweiligen Kultur informieren. Durch den gleichartigen inhaltlichen Aufbau ist sichergestellt, dass ein Vergleich zwischen den Bewirtschaftungsmethoden leicht fällt. Zudem können die Steckbriefe auch unabhängig vom Entscheidungsunterstützungssystem verwendet werden.
Diskussion
Das DSS-TORBOS fokussiert auf die Abwägung standortkundlicher und naturschutzfachlicher Faktoren. Die Entscheidung kann nur durch den Nutzer erfolgen und wird durch das System nachvollziehbar und reproduzierbar dokumentiert. Die betriebswirtschaftliche Rentabilität einer nassen bzw. torfschonenden Moorbewirtschaftung wird in hohem Maße durch die individuelle betriebswirtschaftliche Situation, Förderkulissen und die Absatzmöglichkeiten im direkten Umfeld bestimmt. Die Abschätzung der individuellen betriebswirtschaftlichen Situation kann durch ein Modell generell nur vereinfacht erfolgen.
Ausblick
Mit dem DSS-TORBOS wurde ein Entscheidungsunterstützungssystem geschaffen, welches Landwirten, Planern und Entscheidungsträgern eine Planungshilfe zur Umstellung auf eine torferhaltende bzw. torfschonende Niedermoorbewirtschaftung ermöglicht und gleichzeitig die Konsequenzen der zu treffenden Auswahl dokumentiert.
Zur schnellen und zielgerichteten Einführung in die Praxis wurden Anfang 2015 mehrere Schulungen für Landwirte und Landwirtschaftsberater an ausgewählten Landwirtschaftsschulen in Brandenburg durchgeführt. Zusätzlich wurden über Printmedien (Bauernzeitung) potentielle Nutzer über das DSS informiert. In der Universitäten Ausbildung an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde und der Humboldt-Universität zu Berlin wird das DSS vorgestellt.
Für die nächsten Jahre sind Änderungen der Förderbedingungen hinsichtlich der Klimaberichterstattung von klimarelevanten Gasen auf Landwirtschaftlich genutzten Flächen zu erwarten. Das vorliegende DSS bietet eine Entscheidungshilfe und Handlungsoptionen zur Reduzierung klimarelevanter Gase auf bewirtschafteten Niedermoorböden.
Literatur
Hasch, B., Zeitz, J., Lotsch, H., Luthardt, V. & Meier, R. (2008): A decision support system for management of mires in the forest, in F. (eds.), ed., "Proceedings of the 13th International Peat Congress, Tullamore, Ireland"
Möller, D.; Heller, C. & Zeitz, J. (2012): CARBSTOR — ein Online-Tool für den Moorschutz: Berechnung der Kohlenstoff-Speichermenge und des Freisetzungspotenzials von Moorböden. Artikel in Naturschutz und Landschaftsplanung, S. 201-209.
Luthardt, V.; Zeitz, J. (Hrsg.) (2014): Moore in Brandenburg und Berlin, Verlag Natur+Text 2014, 384 S.
SRU Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung (2012): Umweltgutachten 2012 — Verantwortung für eine begrenzte Welt. E. Schmidt Verlag, 420 S.
Vogt, G. (2000): Entstehung und Entwicklung des ökologischen Landbaus im deutschsprachigen Raum, Stiftung Ökologie & Landbau, 300 S.
Wichtmann, W.; Schröder C.; Joosten, H. (Hrsg.) (2016): Paludikultur - Bewirtschaftung nasser Moore für regionale Wertschöpfung, Klimaschutz und Biodiversität, Schweizerbart Science Publishers, Stuttgart.